Panik
Was ist eigentlich Agoraphobie (Platzangst) und wie kann diese Angst wirkungsvoll reduziert werden?
15.12.2022 — 5 Minuten Lesezeit
Dich überkommt schon bei dem Gedanken daran, mit der Bahn zu fahren, ein ungutes Gefühl? Der Aufenthalt an öffentlichen Orten, längere Reisen, in einer Schlange oder Menschenmenge zu stehen lösen starkes Unwohlsein aus? Vielleicht leidest du dann an etwas, was sich Agoraphobie (Platzangst) nennt. Mehr zu den Symptomen und wie du die Angst überwinden kannst erfährst du in diesem Artikel.
Was ist Agoraphobie?
Der Begriff Agoraphobie setzt sich aus dem altgriechischen Wort „Agora“, was Marktplatz bedeutet, und dem Wort „Phobie“ zusammen. Phobien sind starke, unverhältnismäßige Ängste vor Situationen, Dingen, Tätigkeiten oder Orten. Agoraphobie ist also die Furcht vor öffentlichen Orten oder Situationen, die tatsächlich aber keine reelle Bedrohung darstellen. Betroffene erleben das Gefühl, nicht entkommen zu können oder haben die Befürchtung, im Falle der eigenen Handlungsunfähigkeit, wie zum Beispiel bei einem Panikanfall, keine Hilfe zu bekommen. Das hat zur Folge, dass bestimmte Situationen oder Orte komplett vermieden werden oder nur unter großer Qual ertragen werden können.
Typische Situationen, die bei Menschen mit Agoraphobie ein Angstgefühl hervorrufen, sind:
- sich in großen Menschenmengen befinden, zum Beispiel bei einem Konzert oder einem Straßenfest,
- öffentliche Verkehrsmittel nutzen,
- alleine verreisen oder eine längere Reise antreten,
- sich auf großen Flächen, wie zum Beispiel Parkplätzen, aufhalten,
- sich in geschlossenen Räume, wie zum Beispiel Einkaufszentren oder Supermärkten aufhalten,
- sich in weiter Entfernung des eigenen Wohnraums zu befinden.
Agoraphobie wird manchmal auch Platzangst genannt, wobei der Begriff häufig mit Klaustrophobie verwechselt wird. Wie genau sich die beiden Ängste voneinander unterscheiden, haben wir für dich auf einen Blick zusammengefasst.
Klaustrophobie und Platzangst: Was ist der Unterschied?
Bei einer Klaustrophobie, auch Raumangst genannt, erleben Betroffenen starke Angstgefühle in engen Räumen. Situationen wie einen Fahrstuhl benutzen, mit der U-Bahn fahren oder sich in dichtem Gedränge von Menschen zu befinden, lösen ein intensives Unwohlsein aus. Damit verbunden ist die Befürchtung zu ersticken, eingesperrt zu sein oder keine Möglichkeit zu haben, eine Situation oder einen Ort zu verlassen.
Bei der Platzangst hingegen handelt es sich um die Angst vor offenen, weiten Plätzen. Betroffen sorgen sich, keinen sicheren Rückzugsort zu haben oder der Situation im Notfall nicht entkommen zu können.
Ein gemeinsames Merkmal von Platzangst und Klaustrophobie ist die Vermeidung von Situationen oder Orten, die Angstgefühle auslösen. Tatsächlich können sowohl Platzangst als auch Klaustrophobie im Zusammenhang mit einer Agoraphobie auftreten. Die typischen Situationen oder Orte, aber auch die Befürchtungen überschneiden sich meist sogar.
Welche Symptome treten bei Agoraphobie auf?
Spezifische Phobien, wie zum Beispiel eine Spinnenphobie oder Höhenangst, manifestieren sich größtenteils in frühen Kindertagen. Bei der Agoraphobie hingegen zeigen sich erste Symptome häufig im Alter von 25 bis 30 Jahre. Agoraphobie ist immer mit einem intensiven Angstgefühl verbunden. In einigen Fällen kann es sich auch um ein ausgeprägtes Unbehagen oder ein Gefühl von Beklemmung handeln. Ein Diagnosekriterium für Agoraphobie ist daher die Angst oder Vermeidung von mindestens zwei dieser Situationen:
- Menschenmengen
- öffentliche Plätze
- alleine Reisen
- Reisen mit weiter Entfernung von Zuhause
In der Psychologie werden diese Situationen „phobische Situationen“ genannt. Es kann durchaus vorkommen, dass sich die Angst bis hin zu einer Panikattacke steigert. Agoraphobie und Panikstörung sind zwar zwei unterschiedliche Angsterkrankungen, jedoch treten sie sehr häufig zusammen auf. Zu den Paniksymptomen gehören auch körperliche Reaktionen. Dazu zählen:
- Palpitationen, Herzklopfen oder erhöhte Herzfrequenz,
- Schweißausbrüche,
- fein- oder grobschlägiger Tremor,
- Mundtrockenheit,
- Atembeschwerden,
- Beklemmungsgefühl,
- Schmerzen in der Brust,
- Nausea oder abdominelle Missempfindungen (z.B. Unruhegefühl im Magen),
- Hitzegefühl oder Kälteschauer,
- Gefühllosigkeit oder Kribbelgefühle.
Außerdem gibt es psychische Reaktionen, wie
- Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit,
- Gefühl, die Objekte sind unwirklich oder man selbst ist weit entfernt oder „nicht wirklich hier“,
- Angst vor Kontrollverlust, verrückt zu werden oder „auszuflippen“,
- Angst zu sterben.
Wenn du unsicher bist, ob diese Symptome auf dich zu treffen, dann nutze unseren Selbsttest für Agoraphobie & Panikstörung:
Wie wird Agoraphobie behandelt?
Manche Menschen entwickeln eine Agoraphobie, wenn sie in einer dieser Situationen bereits eine Panikattacke erlebt haben. Andere Menschen fühlen sich in solchen Situationen einfach nur unwohl und entwickeln nie oder erst später Panikattacken im Zusammenhang mit diesen Situationen. Eine Agoraphobie beeinträchtigt oft den Alltag, in manchen Fällen so drastisch, dass Betroffene das Haus nicht mehr verlassen.
Neben sogenannten Expositionen spielt auch Psychoedukation eine wichtige Rolle. Betroffene Personen lernen, wie sie bestimmte körperliche Reaktionen richtig deuten. Zum Beispiel kann plötzliches Herzklopfen als ein schlimmes gesundheitliches Problem interpretiert werden. Durch eine Neubewertung der Reaktion, also zum Beispiel „Es ist ganz normal, dass mein Herz stärker schlägt, wenn ich zur U-Bahn laufe“, können auch Angstgefühle verringert werden.
Das Vermeiden der Situationen verschlimmert jedoch häufig die Beschwerden. In unserem Bewusstsein manifestiert sich die Annahme, dass eine bestimmte Situation, wie zum Beispiel Busfahren, Gefahr bedeutet. Angststörungen werden meist im Zuge einer Psychotherapie behandelt. Bei einer kognitiven Verhaltenstherapie geht es darum, gezielt neue Erfahrungen zu sammeln, um so zu lernen, dass Busfahren eben keine Gefahrensituation ist. Diese Lernerfahrungen können allerdings nur gemacht werden, wenn wir uns gezielt in angstauslösende Situationen begeben.
Leider betragen die Wartezeiten für einen Therapieplatz in den meisten Fällen mehrere Monate. Alternative Behandlungsmethoden, wie digitale Gesundheitsanwendungen, sogenannte DiGA, können sofort helfen. Die Anwendung ist dabei für Nutzer:innen kostenfrei und wird von der Krankenkasse übernommen.
Mit der Mindable App für Panikstörung und Agoraphobie, können betroffene Personen gezielt Expositionen durchführen und lernen, mit Angstreaktionen umzugehen, um sie so zu reduzieren. Außerdem bietet die App ausführliche psychoedukative Inhalte, die dabei helfen, Angst besser zu verstehen.
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Quellen
DIMDI (Deutsches Institut für medizinische Dokumentation. ICD-10: Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme. 10. Revision: Band I — Systematisches Verzeichnis. Version 1.0, Stand August 1994. Berlin Heidelberg New York: Springer-Verlag, 2013.
Robert Koch Institut Statistisches Bundesamt. (2004). Gesundheitsberichterstattung des Bundes Heft 21.